Eiseskälte
„Jedermann hat Angst. Jeder fragt sich, wer die Toten sind – und
wer der Mörder ist. Jeder hat seine eigene Theorie, verdächtigt jemand
anderen. Ungute Gerüchte machen die Runde. Es ist, als würde all das
Elend, als würden die ständigen Entbehrungen und Demütigungen einen Hass
nähren, der sich ein Objekt sucht. Und der gesichtslose Mörder könnte
dieses Objekt sein. Solange es so kalt bleibt und solange Sie den Mörder
nicht verhaftet haben, wird dieser Zorn wachsen. Irgendwann wird man
der Polizei Versagen vorwerfen. Und dann der Verwaltung allgemein. Und
irgendwann wird jemand laut sagen, was sich so mancher sicherlich schon
denken wird: Dass es das früher nicht gegeben hätte, unter Adolf. Ich
aber werde nicht tatenlos zusehen, wie ein einziger verrückter Mörder
eine Lage schafft, in der sich unsere Bürger nach den Nazis
zurücksehnen.“
Hamburg, im Januar 1947. Die Stadt
liegt in Trümmern, die Menschen leiden Hunger. Verschärft wird die
Situation noch durch die Eiseskälte, die die Stadt bereits seit Wochen
in ihren Fängen hat. Der tägliche Kampf ums Überleben zerrt an den
Nerven, verbraucht alle Kräfte. In diesem ohnehin schon Horrorszenario
wird eine junge Frau aufgefunden, nackt und ermordet, mitten in den
Trümmern. Sie wird nicht das letzte Opfer des „Trümmermörders“ bleiben
und Oberinspektor Stave wird schnell klar, wie überaus wichtig ein
schneller Fahndungserfolg ist…
Dieser Krimi hat mich von
der ersten Seite an begeistert. Feinfühlig und doch in aller
Deutlichkeit wird die Situation der Menschen in diesem Hungerwinter 1947
beschrieben. Zu Recht wird diesen Schilderungen ausreichend Raum in der
Geschichte zugewiesen. Es ist für jeden Leser, der später geboren
wurde, ohnehin schwer bis unmöglich, die Lage der Menschen
nachzuvollziehen. Was alles aus dieser Mordserie entstehen könnte,
beschreibt mein Eingangszitat. Eine wirklich brenzlige Situation!
Grundsätzlich
kommt kein Buch, das in der Nachkriegszeit des 2. Weltkriegs spielt,
ohne das Thema Nazis aus. Entsprechend wird es auch hier behandelt.
Daneben wird auch die persönliche bzw. private Seite des Ermittlers
nicht vernachlässigt: Staves Frau starb bei einem Bombenangriff, sein
Sohn ist vermisst. Furchtbar – und doch ist Stave nur eins von vielen
Schicksalen.
Die Mordserie selbst ist spannend und
bietet beim Miträtseln viel Raum für Spekulationen. Weitere interessante
Charaktere und ein packender Schreibstil rundeten für mich das Ganze
ab.
Das Nachwort informiert übrigens darüber, dass diese
Geschichte auf einem authentischen Fall beruht. Anders als im Buch, das
uns eine Lösung des Falls präsentiert, wurde der wahre Trümmermörder
jedoch nie gefunden.
Fazit: Für mich ein ganz klarer
Favorit! Für Oberinspektor Stave gibt es noch zwei weitere Fälle: „Der
Schieber“ und „Der Fälscher“. „Der Schieber“ wartet bereits auf meinem
SuB und kann sicher sein, kurzfristig gelesen zu werden.
Zeitgeschichte – sehr berührend erzählt und mit einer spannenden Krimihandlung verwoben. Lesen!
© Manu
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