Unter dem Nordlicht
„Der Weg auf den Berg war gut befahrbar. Die Samen räumten ihn
den ganzen Winter über, weil sie dort oben im Wald ihre Rentiere an den
Futterkrippen zufütterten. Margareta fuhr vorsichtig. Neben der Fahrbahn
lag der Schnee fast einen Meter hoch. Eine falsche Bewegung, und sie
würde feststecken und den ganzen Weg laufen müssen. Geschickt lenkte sie
das schwere Fahrzeug, bis sie oben an der Wendeplatte angekommen war.
Jetzt gab sie noch einmal richtig Gas. Zirka hundert Meter steil nach
oben, dann war sie da. Polizeiinspektor Bengt Karlsson, ihr Kollege,
stand im Türrahmen der roten Holzhütte, die bis vor einigen Jahren in
der Sommersaison als Café gedient hatte. Margareta parkte den
Motorschlitten nahe der alten Holzterrasse, deren Umrisse im Schnee nur
zu erahnen waren. Bengt ging langsam auf sie zu. Er war blass und schien
nach Worten zu suchen. „So etwas habe ich noch nie gesehen.“ Bengt fuhr
sich mit der Hand über die Stirn. „Der Junge wurde geschlachtet,
geschlachtet wie ein Rentier.“ (S.44)
Nicht nur
Bengt ist zutiefst erschüttert von diesem furchtbaren Fund. Alle
Bewohner Jokkmokks, einer Kleinstadt nördlich des Polarkreises sind
entsetzt! Gerade erst mussten sie einen jungen Mann beerdigen, der an
seinem 19. Geburtstag einen tödlichen Unfall hatte. Und nun wurde einer
seiner besten Freunde ermordet, ebenfalls an seinem Geburtstag. In dem
Städtchen, in dem fast jeder jeden kennt, war der Junge allgemein
beliebt. Wer könnte daher einen Grund haben, ihn zu töten? Und gibt es
einen Zusammenhang mit dem tödlichen Unfall seines Freundes?
Hauptkommissarin Linda Lundin, die gerade ihre neue Stelle hoch im Norden angetreten hat, hat eine harte Nuss zu knacken...
Dieser
Krimi hat mich total begeistert! Besonders gefiel mir, wie schön die
Handlung in den kulturellen und landschaftlichen Rahmen Lapplands
eingebettet ist. Die Autorin liebt ihre Wahlheimat - und das merkt man.
Seit 6 Jahren lebt sie in Lappland, in genau dieser kleinen Stadt
Jokkmokk. Im Buch ist es die Hauptkommissarin Linda, die sich an ein
völlig neues Leben gewöhnen muss. Vermutlich wird es ihr in Kürze so
ergehen wie der Autorin - sie wird sich in ihre neue Heimat verlieben.
Aber noch steht sie vor diversen Problemen. Da ist natürlich zunächst
mal die große Kälte, die ihr zu schaffen macht. Während bei -30° die
Kinder fröhlich draußen spielen, stellt sie fest, dass ihre mitgebrachte
Winterkleidung bei weitem nicht ausreichend ist. Für die Klärung des
Mordfalls kann sie gerade mal auf 2 Mitarbeiter zurückgreifen und um zum
Tatort zu gelangen, muss sie auf einen Motorschlitten umsteigen.
Es
sind diese vielen kleinen Besonderheiten, die den Krimi zu einem ganz
besonderen werden lassen. Viel erfährt der Leser auch über die Samen, ob
es um deren Geschichte, Sprache, Mode, um ihre Ansichten oder um ihre
Werte geht. Erstaunt las ich, wie tief all diese Dinge auch bei der
jungen Generation verwurzelt sind.
Aber es ist kein
Sachbuch und niemand muss befürchten, dass Spannung oder
Ermittlungsarbeit zu kurz kommen. Das ist ganz und gar nicht der Fall.
Es gibt diverse Verdächtige, immer mal wieder neue Wendungen und zum
Schluss löst sich alles logisch auf.
Sympathische
Charaktere gibt es ebenfalls mehrere. Und obwohl ich den Bewohnern
Jokkmokks ihren Frieden gönnen würde, hoffe ich doch, dass Linda und
ihre Mitarbeiter bald wieder Arbeit bekommen ;-)
Was
mich im Moment aber am meisten bewegt, ist der heftige Wunsch, auch mal
selbst in dieses Land zu reisen. Die Landschaftsbeschreibungen, die
Berichte über Schlittenfahrten mit Husky-Antrieb, über samische Feste
und Märkte und nicht zuletzt über die sagenhaften Polarlichter waren so
intensiv geschrieben, dass ich am liebsten gleich meine Koffer gepackt
hätte. Und wenn ich eines Tages losfahre, werde ich mich bemühen, nicht
die gleichen Fehler zu machen, wie der typische Tourist, "erkennbar an
der zu dünnen Kleidung und den eleganten Winterschuhen".
© Manu
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