Donnerstag, 2. Oktober 2014

Gastrezension - Der Mann mit den schönen Füßen von Arto Paasilinna

"Und es gewannen alle, die etwas besaßen, mit dem sie gewinnen konnten."

„Reeder Aulis Rävänder schätzte sich aus zweierlei Gründen glücklich. Er hatte einen guten Schlepper und eine gute Frau.“

Mit diesen Worten beginnt der neue Paasilinna, der kürzlich bei mir einzog. Dass ich ihn sofort kaufte, als ich ihn entdeckte, war überhaupt keine Frage, denn ich besitze eine vollständige Sammlung aller bisher auf Deutsch erschienen Bücher dieses finnischen Autors. Und auch diesmal wurde ich von der Lektüre nicht enttäuscht.

Wer zum ersten Mal ein Buch von Paasilinna liest, wird sich möglicherweise fragen, in welchem Zustand der Autor es wohl geschrieben hat. Tatsächlich ist die Handlung meist sehr skurril. In ihrem Mittelpunkt steht sehr häufig ein finnischer Mann, der sich irgendwie durchs Leben schlägt. Das Szenario, in dem das Ganze stattfindet, ist dabei gerne äußerst schräg. So auch hier.

Es geht also um den Reeder Aulis Rävänder. Das Eingangszitat stellt gleich klar, was die wichtigsten Dinge in seinem Leben sind. Wobei die Reihenfolge der kurzen Aufzählung schon Aussagekraft besitzt ;-) Rävänders Leben wird eines Tages völlig aus der Bahn geworfen, als ihn seine Frau nach 20jähriger Ehe verlässt. Als ihm auch noch klar wird, dass die angekündigte Scheidung ihm die Hälfte seines Vermögens und unter Umständen auch noch seinen Schlepper nehmen wird, ist die Verzweiflung groß. Als dann vor seinem Strandhaus, in das er sich betrunken und leidend zurückgezogen hat, auch noch ein totes Wildschwein angeschwemmt wird, greift er zum Telefonhörer und sucht Hilfe bei der Telefonseelsorge. Da er sich verwählt hat, landet er allerdings beim Fußpflegesalon von Irene Oinonen, die ihm nicht nur zuhört sondern spontan beschließt, sich um diesen Mann zu kümmern…

„Die Männer schienen einfach die normalen Missgeschicke im Leben nicht ertragen zu können, jedenfalls nicht nüchtern.“

Wer das bis hierhin schon schräg fand, der wird anschließend aus dem Staunen nicht mehr rauskommen, denn im weiteren Verlauf geht es um (unter anderem) einen Tierpräparator, einen Erpresser, eine Versammlung krimineller Erpressungsopfer und einen Mordanschlag. Paasilinna versteht es, all diese Dinge in eine Handlung einzuarbeiten, die sich wie nichts wegliest und auf jeder Seite Spaß macht.

Es sind seine Formulierungen, die mich immer wieder zum Lachen bringen. Sein tiefschwarzer Humor, mit dem er wirklich jedes Thema anpackt und dem absolut nichts heilig ist. Weswegen mit kleinen Seitenhieben so ganz nebenbei ausgeteilt wird: An Frauen, an Männer, an Minister, Kirchenvertreter, Reiche, Alkoholiker, Anhänger aller möglichen sexuellen Orientierungen, Banken, die Polizei und und und. Dabei ist alles leicht geschrieben und klingt selbst in den abwegigsten Schilderungen logisch. In diesem Buch hatte ich beispielsweise großen Spaß daran, wie akribisch eine Konferenz geplant und einberufen wird, bei der die oben erwähnte Versammlung krimineller Erpressungsopfer den weiteren Umgang mit dem Erpresser plant…

„Rävänder fand, dass man die Konferenz ein bisschen vorbereiten müsse, indem man zum Beispiel formuliere, um welche Probleme es gehe.
An zentraler Stelle stand die Entscheidung darüber, was man mit Iivonen machen sollte. Ihn gründlich vermöbeln? Ihn aus dem Land jagen? Ihn zu Tode erschrecken? Ihn lebenslänglich in Klaukkala gefangen halten? Ihn kastrieren? Ihn der Polizei übergeben? Oder ihn töten und ausstopfen? Möglichkeiten gab es viele, und dazu mussten die Teilnehmer auf dem Schiff Stellung nehmen.“

Paasilinna spielt mit menschlichen Schwächen. Keine seiner Figuren ist makellos, viele gerade deshalb so liebenswert. Gerne lässt er seine Figuren auch mal philosophieren. Dabei kommen herrliche Dinge heraus…

„Finnland hat in den letzten Jahren den Verstand verloren. In diesem Land wird nichts anderes getan als amerikanische Werbung geguckt und sinnlos geshoppt. Und dann wird die Jugend geisteskrank und nimmt Rauschgift in Überdosen. Früher hängte sich ein Mann zumindest noch auf, wenn es darauf ankam, aber heute lassen sich die Leute aus purer Faulheit in die Irrenanstalt einweisen.“

Eigentlich war das Einzige, was mir in diesem Buch gefehlt hat, Seppo Sorjonen. Dieser Charakter hat sich ja in den letzten Jahren zu einer Art Running Gag entwickelt, als Paasilinna-Fan ist man jedes Mal  gespannt, ob er in diesem Buch wieder auftauchen wird und wenn ja, welche Rolle er diesmal spielen wird. Der Grund für sein Fehlen ist wohl der, dass es sich bei diesem Buch um ein Werk von 1985 handelt, dass nun erstmalig auf Deutsch erschienen ist. Die Übersetzerin Regine Pirschel hat ohnehin noch einiges zu tun, denn Arto Paasilinna bringt seit 1972 praktisch jedes Jahr ein Buch heraus. Ich freu mich jetzt schon das nächste!

© Manu

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